Montag, 8. Mai 2023

Wie bring ich mir selbst und Anderen Energiesparen bei?

Möchten Sie in einer Organisation oder einer Liegenschaft das Energieverhalten aller beteiligten Menschen positiv verändern und gemeinsame Sparerfolge sichtbar machen? Nun, da stellt sich zunächst die Frage, was eine einzelne Person überhaupt zur Energieeffizienz beitragen kann und möchte? Wie bringen wir Menschen dazu, nachhaltiges Verhalten anzustreben?

Energieverbrauch und Energieeffizienz sind undurchsichtige Konzepte. Verbrauchszahlen, Kurven und Kilowattstunden sind uns ein Mysterium. Sie sind das Resultat vieler physikalischer, technischer und sozialer Zusammenhänge in einem unübersichtlichen System bestehend aus Anlagen, Netzwerken, Umwelteinflüssen, sowie Menschen mit unterschiedlichen Gewohnheiten und Bedürfnissen.

Ein Schlüsselfaktor für nachhaltiges Verhalten ist, sich der Energiever(sch)wendung am Arbeitsplatz, in der Wohnung oder auf dem Arbeitsweg bewusst zu werden. Wir Menschen benötigen dazu drei Dinge:

  • Eine innere Wertschätzung für Sparsamkeit, Sauberkeit, Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung.

  • Grundlegende Kenntnisse über den Energiefluss (Energieherkunft & Verbrauch) der beanspruchten Systeme sowie über unsere Möglichkeiten, darauf einzuwirken.

  • Eine Rückkopplung in Form eines Hinweises, Alarms oder einer Anzeige, die uns mitteilt, ob unsere Verhaltensänderung erfolgreich war oder nicht.

Rückmeldungen sind sehr effektiv, wenn sie gleichzeitig mit der Ausführung der Tätigkeit stattfinden. Denn dann können wir spielend unser Verhalten variieren, sehen die resultierende Schwankung des Energieverbrauchs und sammeln Erfahrung. Eine spannende Visualisierung der Rückmeldung zeigt dabei nicht nur das auf und ab der Energiemenge an, sondern vermittelt auch ein Bild über die Konsequenzen unserer Handlungen für das eigene Portemonnaie, die Natur und die Gesellschaft. Rückkopplungen inspirieren uns, und wir können sinnvolle Entscheide mit gutem Gefühl beschliessen.

Meist handeln wir aber doch nicht so vernünftig, wie wir es uns gerne vorstellen. Ein Mensch ist kein rational handelnder "Homo Oeconomicus", der seine Energievergeudung aufgrund von mehr Sachkenntnissen oder höherer Energiepreise beendet wie eine "Künstliche Intelligenz". Dies zeigen neuere Untersuchungen. Individuelle Energiesparvorhaben scheitern ständig, weil wir die Dinge dann konkret doch lieber mit subjektivem Empfinden erledigen, als mit Verstand. Wir handeln ad-hoc, irrational, oft sinnlos aufgrund hartnäckiger Gewohnheiten aus Kindheit und Schulzeiten oder aufgrund einer spontanen Stimmung. Die Vernunft hat nicht auf den Fahrersitz Platz genommen, sondern kommentiert die Fahrt vom Rücksitz aus.

Was hindert uns denn daran, beziehungsweise was motiviert uns, schlechte Gewohnheiten und Einstellungen nachhaltig zu ändern? Es gibt dazu zahlreiche sozio-ökonomische Studien. Dabei haben sich drei typische Verhaltensweisen herauskristallisiert, die sich als besonders hartnäckig erweisen, doch mit ein paar Tricks umgangen werden können. Schauen wir diese an:

1.  Vertrauen auf Althergebrachtes

"Sich nicht ändern" verursacht bekanntlich weniger Mühe, als sich neu zu orientieren und Alternativen zu evaluieren. Besonders die folgenden Punkte machen uns änderungsresistent:

  • Unsere lieb gewonnen Gewohnheiten, Bräuche und Sitten.

  • Haben wir bereits etwas unternommen, möchte wir erst einmal die Früchte ernten und unsere Investition amortisieren, selbst wenn es bessere Alternativen mit erheblichem Sparpotenzial gäbe.

  • Bei Entscheiden mit langfristiger Auswirkung empfinden wir das hier und jetzt als wichtiger, als die (ökologischen) Vorteile in ferner Zukunft.

In diesen Fällen kann energieeffizienteres Verhalten gefördert werden, indem Menschen eine mühelose Anpassung ermöglicht wird. Zum Beispiel wird in Anlagen oder Geräten immer die energieeffizienteste Einstellung als Standardmodus gesetzt, und weniger effiziente Alternativen werden nur noch über "zusätzliche Mühen" aktiviert (Opt-Out). Oder die effizienteste Handlungsalternative wird besonders deutlich hervorgehoben (Eco-Modus). Auch intelligente Anwendungen mit individuellen Auswertungen und Displays können unser Handeln unterstützen und es mühelos machen, spannende Zusammenhänge zu erkennen (Eco-App).

2.  Umgang mit Ungewissheit

Komplexe Situationen mit ungewisser Entwicklung meistern Menschen nicht durch rationales Abwägen vieler Alternativen - dafür fehlt uns schlichtweg die Zeit - sondern mit Heuristiken. Das sind Faustregeln. Deshalb schauen wir beim Kauf eines Produktes nur auf sehr wenige, als besonders wichtig empfundene Parameter und prüfen diese auf unsere Minimalanforderungen (z.B. ist beim Kauf einer Waschmaschine das "Klack" der Türe und dessen Gewicht eine beliebte Heuristik, um Rückschlüsse auf die Langlebigkeit des Geräts zu machen).

Bei Ungewissheit sind wir auch wesentlich mehr um mögliche Verluste unseres Besitzes besorgt, als dass wir uns über hypothetische Gewinne freuen können, ganz nach dem Motto "lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach". Ungewissheit besteht zudem bei Zielkonflikten. In diesem Fall entscheiden wir uns häufig entgegen unseres besseren Wissens für die angenehmere Alternative (Was geht vor: Ökologie oder Genuss?).

Wie gehen wir damit um im Energiemanagement? Hier ein paar Ideen: Man könnte bei "Entscheiden mit ungewisser Entwicklung" die potenziellen Verluste besonders betonen, weil dies mehr imponiert, als die möglichen Profite. Zudem soll der Fokus auf jene Parameter gelenkt werden, die als besonders wichtig empfundenen werden, während umfassende Zahlenwerke zu allen möglichen Nebenaspekten im Anhang landen. Wichtig ist dabei, dass Angaben für "laienhaften" Entscheidungsträger klar, nicht-technisch, eindrucksvoll und im richtigen Kontext präsentiert werden. Bisher vernachlässigte Aspekte müssen besonders hervorgehoben werden.

3. Vertrauen auf Mitmenschen

Menschen vergleichen sich gerne mit ihren Mitmenschen. Wir bringen uns gegenseitig Verhaltensweisen bei, schauen in neuen Situationen voneinander ab, beobachten und prägen den Gruppenzusammenhalt (Identität). Personen entwickeln ihr persönliches Netzwerk und ihre Umgangsart fortlaufend und bauen nach und nach ihr "privates Sozialkapital" auf. Der soziale Kontext beeinflusst das individuelle Energieeffizienzverhalten. Persönliche Vorbilder und Meinungsmacher spielen bei der eigenen Identitätsbildung eine grosse Rolle.

Das lässt sich natürlich im Energiemanagement hervorragend nutzen: Beispielsweise können gute Massnahmen und Resultate von Nachbarn oder Arbeitskollegen ausgetauscht werden. Ein kommunales Informationssystem kann Interessenten zusammenbringen und eine Ideenbörse & lokale Märkte entstehen lassen. Respektpersonen mit Vorbildfunktion können sich direkt in Interessengruppen einbringen, identitätsstiftend wirken und wichtige Werte begünstigen. Das nennt man im Angelsächsischen "Leadership". 

Lohnt sich dieser Aufwand? Es gibt bereits sehr viele Studien, welche die Beeinflussung energetischen Verhaltens einzelner Personen untersuchen. Die Verbesserungen bewegen sich im Mittel um sieben bis acht Prozent. Stellt sich die Frage "Prozent von was": Von ihrer Liegenschaft, ihrer Organisation, der Schweiz, der Welt? Passt alles. Es wäre spannend herauszufinden, auf welche Zahlen eine Organisation käme, die ihr Energieeffizienzverhalten optimal ausschöpft, mit idealer Rückkopplungsinformation, sinnstiftendem Coaching, Gemeinschaftsgeist und Leadership. Wir sind überzeugt, bei uns Menschen liegt vielleicht noch einiges mehr drin!

Author: Marc Holthuizen; Quellen: Gerd Gigerenzer (Risiko), Gerhard Roth (Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern), S. Kaur/T. Garg (Harnessing Behaviour Change for Promoting Energy Efficiency), Kate Raworth (Die Donut Ökonomie), Peter R. Scholtes (The Leader's Handbook)

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