Freitag, 4. Oktober 2024

Energieeffizienz für Champions - Sind Sie der Leadertyp?

In vielen Organisationen, Gemeinden oder Unternehmen hat das Energieeffizienzmanagement keinen hohen Stellenwert. Der Grund dafür? Energieverbrauch trägt nichts zur eigentlichen Wertschöpfung bei. Dennoch, der/die eine oder andere KapitänIn hat das mulmige Gefühl, dass möglicherweise etwas übersehen wird... und der Zug ohne sie abfährt.

Der kluge Stratege berücksichtigt heute Energieeffizienz als Aspekt des Lean Managements. "Schlank werden" verfolgt das Ziel, seine Abläufe gleichzeitig qualitativ zu verbessern und die Prozesskosten zu senken. Der Mahnfinger zeigt dabei auf die konsequente Vermeidung von Verschwendung. Eine Kultur der Schlankheit senkt nicht nur die Betriebskosten für Personal und Anlagen, sie führt auch zu neuer Erfahrung und Wissen. Der Lernprozess ist der eigentliche Trick dabei! Durch die ständige Suche nach neuen, sich lohnenden Potenzialen modernisiert sich die Organisation stetig und reagiert flexibler auf Umweltveränderungen.

Unternehmen passen so ihre Prozesse agil an neue Anforderungen ihrer Leistungsempfänger an. Sie adaptieren den technologischen Wandel im Zuge der Energiewende und Digitalisierung leichter und reagieren flexibler auf Herausforderungen wie den Klimawandel, neue Reporting Standards und physische (Extrem-)Wetterereignisse. Auch nutzen sie neue Chancen, die sich aufgrund gesellschaftlicher Trends wie Quartiers-Zusammenschlüsse, erweiterte ÖV-Angebote, neue Sharing-Modelle oder digitaler Kollaboration ergeben.

Ein systematisches Energieeffizienzmanagement verbessert mittelfristig die Effizienz der Anlagen. Es sorgt für einen störungsfreien Betrieb, da mit Anlagen bewusster umgegangen wird und sie besser gewartet werden. Und sie fördert die Weiterentwicklung der Prozesse, weil Neuinvestitionen nun mit konkreten Erfahrungswerten statt mit Annahmen geplant werden. Energieverschwendung zu tolerieren, ist im Lean Management daher ein absolutes "No-Go!"

Lean Management eliminiert systematisch sieben Arten der Verschwendung, ein Konzept, das sich auch auf die Energieversorgung anwenden lässt.

Organisation ist Chefsache. Weil der Energieverbrauch aber nicht gemessen wird, erscheint er nicht auf dem Radar in der Teppichetage. So schlummert das Spar- und Entwicklungspotenzial einer Organisation meist im Dunkeln vor sich hin und verursacht Kosten... wie ein undichter Spülkasten der dauernd rinnt.

In der Praxis werden Effizienzmassnahmen meist ad-hoc entdeckt, meist leider nur weil der Staat darauf drängt und nicht etwa das eigene Management. Der Staat schafft Zwänge etwa durch höhere Minimalstandards, oder er schafft Anreize wie beispielsweise die finanzielle Unterstützung bei Effizienz-Impulsberatungen oder er erlässt die Energieabgaben, sofern freiwillige CO2-Senkungs-Zielvereinbarungen gemacht werden. Dies sind zwar gut gemeinte Anreize, aber der Lerneffekt ist gering und führt kaum zur nachhaltigen Entwicklung der Organisation.

Der zweite wesentliche Grund, warum sich Organisationen für Energieeffizienzmanagement engagieren, ist die Ökobilanzierung. Eine Treibhausgas-Emissionsbilanz erstellt eine Organisation, um ihre Stakeholder – seien es Wähler, Investoren, Kunden, Fans, die Presse oder die öffentliche Hand – über ihre Fortschritte beziehungsweise ihren Netto Null-Absenkpfad zu informieren. Das verbessert ihre Bonität, ihr Image und ihre Marke. Der Treibhausgas-Absenkpfad ist das Resultat aus einem Mix von drei Massnahmenpaketen:

  1. Energieeffizienz (schlanke Prozesse)

  2. Nutzung von Umweltenergie (Prozesse mit dezentraler erneuerbarer Energie betreiben)

  3. Treibhausgas-Kompensationsgeschäfte (Prozesse für Carbon Capture Technologien einrichten)

Der dritte Punkt widerspricht in jeder Hinsicht der Idee des Lean Managements. Treibhausgase mit Anlagen aus der Luft filtern und unter der Erdoberfläche einlagern ist ineffizient, verschwenderisch, kompliziert und kostet und sollte unter allen Umständen vermieden werden.

Mit der Ökobilanz wird auch der ökologische Fussabdruck für die eigenen Produkte und Dienstleistungen erstellt. Weil heutzutage sehr viele Endkunden bei der Produktwahl ökologisch sensibilisiert sind, pochen Händler wie Migros oder Coop darauf, dass sie emissionsarm hergestellte Produkte von nachhaltig organisierten Lieferanten erhalten, die dies auch beweisen können. Das bedingt, dass Emissionen entlang der gesamten Lieferkette erfasst werden.

Deshalb setzen sich internationale Reporting Standards zunehmend durch, die auf dem "Greenhouse Gas Protocol" basieren, welche eigene Emissionen (Scope 1 und 2) und fremde Emissionen (Scope 3) unterscheiden, damit jedes Glied der Lieferkette sein Emissionsanteil korrekt ausweist und nichts doppelt gezählt wird.

Entwicklung der ESG Reporting Standards seit 1996. Bild IFC World Bank Group

Netto Null-Effizienzmanagement hat ein Problem: Viele Organisationen wollen was tun und glauben, sie tun bereits was geht. In der Realität werden die Aufgaben dann an einzelne Mitarbeiter delegiert. Die organisieren sich selbst mit individuellen Windows-Explorer-Verzeichnissen, haben ihre E-Mail-Verläufe mit vielen CCs dazu und treffen sich gelegentlich in Meetings (mit oder ohne Reports). Das führt zur Zettelwirtschaft, einem unnützem Datenfriedhof und zur Abhängigkeit gegenüber altgedienten MitarbeiterInnen. Es ist also das Gegenteil einer schlanken, agilen Organisation.

Ein weiteres Problem im Effizienzmanagement ist fehlendes Fachwissen im eigenen Team. Verbessert werden sollen ja nicht nur die Geschäftsprozesse, sondern auch die vielen Betriebsabläufe bei Gebäudetechnik, EDV-, Produktions- und Logistikanlagen. Das sind häufig Systeme, die von externen Planern eingerichtet wurden. Nach der Inbetriebnahme der Anlagen stehen diese Experten für die benötigten Betriebsoptimierung dann nicht mehr zur Verfügung, selbst wenn man bereit ist, dafür zu bezahlen. Denn Experten sind ein knappes Gut. Sie haben schlicht keine Zeit dafür und betrachten den Betrieb nicht als ihre Verantwortung.

Das Rezept dagegen ist „lernen, damit umzugehen“. Der Urvater der "Prozessqualität" Dr. W. E. Deming missionierte eben dies. Auch den Managementsystemen ISO 9000/Qualität und ISO 50001/Energie liegt diese kontinuierliche Lern-Philosophie zugrunde.

Energiesysteme – wie die Wohnungsheizung im Bild - sind komplex und haben viele Einflussfaktoren und Stellschrauben. Nachhaltige Optimierung erfordert Kenntnisse, Monitoring und klare Spielregeln.

Energieeffizienz erfordert eine Art vernetzte Intelligenz zwischen der eigenen Organisation (Anlagen, Mitarbeiter, Prozesse), externen Beratern und Anlagen-Lieferanten sowie eine Fülle an "Know-how", das heute meist auch über das Internet verfügbar geworden ist. Das Grosshirn dieser vernetzten Intelligenz in der Organisation sollte eine Energiedaten-Plattform sein. Das schafft die Möglichkeit, systematisch Informationen über die eigenen Energieverbraucher und deren Energieverbrauch zu messen, aufbewahren und verarbeiten. So können inhaltsreiche, steuerbare Informationen über Prozessqualität und Prozesseffizienz gewonnen werden und es wird an den richtigen Stellschrauben gedreht.

Der Energieverbrauch einer Organisation verteilt sich über Zeit und Standorte und ist nicht fassbar. Mit einer Energiedatenplattform wird transparenz geschaffen. Das Dashboard zeigt nicht nur High-Level-Analysen wie summarische Jahresbilanzen, sondern es gibt den Mitarbeitern in der Organisation Detailinformationen über den Gebrauch der Anlagen und deren Wirkung auf Energiebezüge (Lastprofile, Betriebszeiten, Spitzenbelastung usw.) und vor allem auch über deren effiziente Verwendung, Verschwendung, Anomalien, Trends, Schwachstellen und Potenziale.

Mit der Energiedaten-Plattform können Messgeräte, Energiebeauftragte und Mitarbeiter generell "Effizienz-Wissen" akkumulieren und sind eine wichtige Entscheidungshilfe bei der Optimierung und Weiterentwicklung der Geschäftsprozesse und Gebäude. Menge und Qualität der Effizienzmassnahmen steigt in der Organisation und reduziert die Betriebskosten nachhaltig. Auch der Zeitaufwand und Präzision der Planung neuer Anlagen verbessert sich.

"Es geht dabei übrigens nicht darum, möglichst viele Dinge zu messen, sondern die richtigen..."

Es geht dabei übrigens nicht darum, möglichst viele Dinge zu messen, sondern die richtigen. Sogar für komplexe Systeme können einfache Heuristiken (Faustregeln) entdeckt werden, welche es zulassen, sich mit geringem Messaufwand einen guten Überblick zu verschaffen. Mit den richtigen Kennzahlen entdeckt man Baustellen und Potenziale und kann adäquate Massnahmen entwickeln.

Aufgaben im Effizienzmanagement sind

  • Effizienz-Reporting

  • Effizienz-Potenzialermittlung

  • Interne Organisation für Klima- und Energieeffizienzfragen

  • Anlagen-Installationen & Instandhaltung

  • Anlagen-Betrieb & Funktionsüberwachung

  • Energiemonitoring

  • Betriebsoptimierung

  • Lastmanagement zwecks Senkung der Energiekosten & Emissionen

  • Anlagen-Upgrades (z.B. smartere Steuerung, bessere Komponenten)

  • Energiesystem-Upgrades (z.B. Energierückgewinnung, Wärmedämmung)

  • Kapazitäts- und Erneuerungsplanung

  • Technologiewechsel auf effizientere, nachhaltigere Anlagen

Ökobilanzierung und Energieeffizienz ohne passende Kultur (Lean Thinking) und Struktur (Energiedaten-Plattform) wird schwierig, weil es sonst unsichtbar, komplex, kleinteilig und zeitaufwendig ist. Energieeffizienzmanagement lohnt sich dann nur noch für die paar "low-hanging fruits" oder weil das Unternehmen Sanktionen befürchtet, falls weil es seine Treibhausgas-Emissionen nicht unter Kontrolle hat und dies glaubhaft nachweisen kann. 

Hinweis: Im nächsten Beitrag werden wir zeigen, wie eine Energiedaten-Plattform in einer bestehenden Organisationen schnell und günstig umgesetzt werden kann.

Author: Marc Holthuizen, inspiriert durch "The New Economics" von W. Edwards Deming sowie "Lean Thinking" von James P.Womack/Daniel T.Jones und "The Leader's Handbook" von Peter R. Scholtes.

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